Nicht nur im Rahmen der Buchmesse ist es auffällig, dass die Worte eBooks und Self-Publishing immer häufiger genutzt werden. Wir befinden uns diesbezüglich in einer Zeit des Umschwungs. Auch in Deutschland greifen inzwischen tatsächlich Menschen auf das sogenannte eReading zurück, was Indie-Autoren wie Verlage und Branchenvertreter dazu beflügelt, sich noch stärker mit diesem Thema auseinander zu setzen.
ePubli hatte am 4. Oktober dazu die Veranstaltung Rewrite The Web (#RtW13) ins Leben gerufen, auf der sich Agenten, Verlage und Autoren in einer Mischung aus Vorträgen und Workshops ein eigenes Bild vom aktuellen Stand der Dinge machen konnten. Das Programm beleuchtete verschiedenste Bereiche des (e)Publishing und machte auch Verbindungen in Themenbereiche, die auf den ersten Blick nicht zum klassischen Buchhandel gehören.
The Publishing House of the Future
Den Auftakt bildete der Vortrag von Dr. Siv Bublitz, CEO der Ullstein Buchverlage, mit dem Thema The Publishing House of the Future. Nach ihrer Einschätzung macht der Umsatz bei eBooks in den Ullstein Verlagen derzeit 15% aus – Tendenz steigend. Online-Verkäufe liegen ebenso geschätzt bei rund 20%. In der Fortführung ging Dr. Siv Bublitz schließlich auf die besonderen, neuen Beziehungen ein, die uns die Online-Welt heutzutage ebenso beschert wie neue Absatzmöglichkeiten. Gemeint sind damit die Möglichkeit, als Leser dem Autor näher zu sein als je zuvor (das Internet macht es möglich), wie auch bei den Lesern untereinander (Buchblogs, Social Reading, Communities, etc.). Diese Veränderungen der Beziehungen macht übrigens auch nicht halt vor dem Autor und dem Verlag. Um dieser Beziehung mehr Raum zu geben führt Ullstein beispielsweise zur Buchmesse das Autoren-Portal.de ein. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens die Argumentation der Verlagsleiterin in Bezug auf den Kopierschutz und die Buchpreisbindung, die von Frau Dr. Bublitz nicht nur lobend hervorgehoben sondern auch vehement verteidigt wurden.
Auf der gerade in Frankfurt stattfindenden Buchmesse wurde das Thema eBook-Pricing übrigens auch eingehend diskutiert. Die Ergebnisse des Forums sind noch recht ernüchternd.
How Do We Read
Der zweite Vortragende dieses Tages war Henrik Berggren, CEO von Readmill, einer komfortablen eBook Lese-App für iOS und Android mit allerlei nützlichen Funktionen für den Leser. Mit der App kann man jedes DRM-freie eBook lesen. Readmill erfährt dadurch (wie andere eBook-Reader-Apps auch) mehr über die Lesegewohnheiten der Anwender. So war es beispielsweise spannend zu sehen, dass obwohl bei uns in Deutschland immer noch die Meinung vorherrscht eBooks würden vorwiegend auf Tablets gelesen, diese Meinung zumindest bei Readmill gar keine Begründung findet. Es ist vielmehr so, dass mehr Leser die Readmill App auf dem Smartphone nutzen, weil sie im Zug, dem Bus oder der Tram eben schneller das Smartphone in der Hand haben als das Tablet.
Sogar jene drei Berufsverkehrszeiten (zwei Morgens eine Abends) konnten in den Statistiken deutlich nachvollzogen werden und der Abend gehörte aufgrund der vorherrschenden Freizeit ebenfalls zu einem Großteil den Smartphone-Lesern. Interessant ist in diesem Fall auch der Vergleich mit Lesern in den USA. Dort fallen keine größeren Berufsverkehrsstoßzeiten auf. Lediglich die Tendenz zum Mehrlesen am Abend ist auch hier gegeben, wobei hier Abends um 11 Uhr der eReader beiseite gelegt wird.
Berggren stellt auch heraus, dass es schon immer Readmills Anliegen war, statt auf eine Hardware-Insellösung lieber auf eine verbreitungsstarke App zu setzen. Inzwischen wird Readmill sogar von einigen Online-Händlern so in deren Webseiten eingebunden, dass man die eBooks von dort durch den Kauf direkt in sein Readmill-Konto senden kann, was der Funktion des Whispernets von Amazon sehr nahe kommt.
Storytelling and Social Games
Nach einer kurzen Kaffee-Erfrischung gab es den ersten Berührungspunkt mit einem spannenden externen Thema. Sebastian Nußbaum von Wooga, einem Spieleentwickler für Social Games, hielt seinen Vortrag Storytelling und Social Games.
Er erzählte von den Entwicklungsphasen eines ihrer aktuellen Spiele, das derzeit von rund 1,5 Mio. Teilnehmern täglich gespielt wird. Diese Spiele basieren auf dem Freemium-Prinzip und können grundsätzlich kostenlos von den Teilnehmern gespielt werden. In diesen Spielen sind jedoch häufig Begrenzungen eingebaut, die den Spielfluß einschränken und so das Spielen auf mehrere Tage verteilen, weil man vielleicht seine gesamte Energie für den einen Tag bereits aufgebraucht hat und sich erst einmal regenerieren muss. Hier kommen dann kostenpflichtige Erweiterungen ins Spiel, durch die sich das Social Game finanziert. Wer zum Beispiel die Geschichte noch am gleichen Tag weiterspielen möchte, der kann kostenpflichtige Upgrades erwerben, die entweder einen Teil oder auch die ganze Energie sofort wieder herstellen. Dieses Prinzip lässt sich natürlich noch auf andere Bereich ausweiten. Wenn man beispielsweise in einem Abenteuerspiel immer wieder historische Ausgrabungsorte aufsuchen muss um dort nach Schätzen zu graben, aber die Schaufel nach dreimaligem Benutzen kaputt geht, so kann man vielleicht eine kostenpflichtige Super-Schaufel erwerben, die erst nach 12 maligem Benutzen kaputt geht. Derlei Käufe von Erweiterungen im Micropayment-Bereich machen in der Summe betrachtet das Spiel hoffentlich auch für den Spielehersteller attraktiv, sodass dieser dann weitere dieser Spiele entwickelt.
Nach Nußbaums Ansicht ist es aber auch für Social Games inzwischen (verständlicher Weise) unabdingbar das Spiel mit einer spannenden Geschichte zu untermauern. Als sein Entwicklerteam die erste Episode des Spiels soweit umgesetzt hatte, dass es eigentlich hätte online gehen können, wurde das Social Game einem ausführlichen Test mit einer unabhängigen Gruppe unterzogen. Das Fazit war leider anders als erwartet etwas niederschmetternd, denn knapp formuliert lautete es, dass die Story zwar nett sei, aber noch nicht genug packte. Nußbaum suchte deshalb kurzerhand nach einem erfahrenen Autoren und fand nach einer Vielzahl von Gesprächen einen Hollywood-Drehbuchautor, der nicht nur auf den ersten Blick den Ansprüchen für diese Produktion entsprach sondern diese weit übertraf. Es folgte eine einjährige Zusammenarbeit, die auch die Ausbildung neuer Storytelling-Juniors direkt bei Wooga inkludierte, bis das Spiel mit der neuen Geschichte tatsächlich online ging. Die Grafik war dazu komplett überarbeitet worden und vom ursprünglichen Game war nicht mehr allzu viel übrig geblieben. Sebastian Nußbaum schloß mit den verständlichen Worten, dass zu einem guten Spiel heutzutage eine gute Geschichte eines guten Autors gehört.
Writing so We Can Be Found
Ihm folgte der Vortrag von Jens Redmer, der bei Google unter anderem für das Google Book Search Projekt zuständig war, mit dem Vortragstitel Writing so We Can Be Found. Nach seiner von einem Zitat von Tim O’Reilly abgeleiteten These (der ich gern zustimme) ist es wichtig, dass Autoren nur dann erfolgreich sein können, wenn sie im Internet gefunden werden können. Google als größter Suchmaschinenanbieter des heutigen Internets bietet da ja bereits einige gute Möglichkeiten. Redmer ging in seinem Vortrag aber auch darauf ein, dass man schon beim Schreiben des Buches sich Gedanken dazu machen kann, wie dieses besser im Internet gefunden werden kann. Er deutete damit auf gängige SEO Praktiken, also Maßnahmen die normalerweise dazu benutzt werden, um eine Webseite zum Beispiel im Google Suchindex besser zu platzieren als andere. Dabei spielt ein besonderer Aufbau des Textes (angefangen beim Titel, aber auch in Bezug auf die Unterteilung mit Unterüberschriften, Hervorhebungen, etc.) eine wichtige Rolle.
Nach Redmers Meinung empfiehlt es sich, diese Praktiken auch auf den Buchtitel und die Beschreibung anzuwenden, damit Suchmaschinen das Buch und seinen Inhalt besser in ihren Index aufnehmen und das Buch dadurch besser gefunden werden kann. Schön wäre hier aus meiner Sicht noch der Hinweis gewesen, wie Autoren auch Google+ nutzen können, um ihre Sichtbarkeit zu steigern, wenn schon der Vorschlag gemacht wird, SEO-Praktiken schon beim Buchtitel und der Beschreibung anzuwenden. (Google nimmt an seinem Suchalgorithmus immer wieder Veränderungen vor um besondere SEO-Spammer mit einem schlechteren Seiten-Rank abzustrafen, was durchaus sinnvoll sein kann. Aus diesem Grund ist der Vorschlag, diese Praktiken schon beim Schreiben des eigenen Buches zu verwenden aus meiner Sicht ein Spagat, den man nur mit entsprechender Vor-Erfahrung beherzen sollte. Sicher ist es wichtig, gefunden zu werden, aber wenn schon mit derlei Maßnahmen gearbeitet wird, bitte ich darum, sich vorher ausreichend damit auseinander zu setzen. Sonst kann das auch schnell in die Hose gehen.)
Nach der Mittagspause teilten sich alle auf vier verschiedene Workshop-Gruppen auf, in denen unterschiedliche Themen diskutiert und besprochen wurden. So ging es in einer der Gruppen beispielsweise um neue Distributionsmöglichkeiten innerhalb der Branche, eine andere diskutierte fleißig über die geänderten Anforderungen an Autoren und wieder eine andere sprach über weitergehende Möglichkeiten der Optimierung für Suchmaschinen.
From Crafts Movement to Microentrepreneurship
Die Workshops wurden schließlich wieder abgelöst durch weitere Vorträge. Caroline Drucker führte in die Thematik From Crafts Movement to Microentrepreneurship am Beispiel von Etsy ein. Etsy ist eine Handelsplattform für kreative und selbsterstellte Objekte. Dort können neueste Häkeltrends gefunden und erworben werden genauso wie attraktive Basteleien, Drucke, Magazine, Bilder und vieles mehr, was in feinster Handarbeit angefertigt wurde. Die Handelsplattform entstand aus der Idee heraus, selbstgemachte Dinge im Internet an den Mann oder die Frau zu bringen. Inzwischen erfreut sich Etsy über eine sehr große Beliebtheit besonders in der Do-it-yourself Bewegung und bietet seinen Mitgliedern die Möglichkeit ihre selbstgemachten Dinge nicht nur auszustellen sondern zu verkaufen. Drucker ging auf die Vorteile der Möglichkeiten von Etsy ein und stellte den inneren Antrieb der Mitglieder heraus. Nach ihrer Auffassung ist es jedem möglich, eigene Werte zu schaffen und auf der Plattform entsprechend zu veräußern.
Hybrid Authors
Ihr folgte der Vortrag von Joanna Penn mit dem Titel Hybrid Authorship. Penn hat große Erfolge als Self-Publisherin erzielt wobei sie sich selbst nicht als Self-Publisherin sondern vielmehr als Indie-Autorin sieht. Sie begründet das damit, dass sie zwar die Bücher natürlich selbst schreibt, aber zum Beispiel bei Übersetzungen in andere Sprachen auf die Hilfe von anderen angewiesen ist und dann ja nicht mehr selbst sondern im Team arbeitet. In ihrem Vortrag zeigt sie die vielfältigen Möglichkeiten für Autoren auf, die uns die digitale Welt heute bieten.
Nach ihrer Auffassung sind eBooks und die Audiobücher heutzutage die wichtigsten Säulen für einen Autoren, der damit seinen Unterhalt verdienen möchte. Sie schlägt zum Beispiel die (noch nicht für außerhalb der USA geöffnete) Plattform ACX.com vor, mit deren Hilfe man sein Buch in die verschiedensten Marktplätze dieser Welt einstellen kann. Außerdem gibt es dort die Möglichkeit nach Produzenten und Erzählern für die Umsetzung der eigenen Bücher in Audio Bücher zu suchen. Ihr Vortrag stach erfrischend und gleichzeitig mitreißend aus allen anderen Vorträgen hervor. Wer sich im Bereich des Self-/Indie-Publishings ein wenig mehr umsehen möchte, der sollte auf jeden Fall Joanna Penns Webseite besuchen. Außerdem haben wir sie am 26.11. in unserem Hangout on Air The Future Be Now eingeladen, in dem wir mit ihr über Marketingstrategien für Self-/Indie-Publisher sprechen wollen.
Mehr Informationen zu dieser Sendung gibt es hier und Fragen können während der Live-Sendung über die Social-Media-Kanäle mit dem Hashtag #TMSB versehen ebenfalls gestellt werden. Die Sendung wird aufgezeichnet und steht anschließend auch zum nochmaligen Anschauen zur Verfügung.
Writing With Your Readers, Community Building with Movies, Redefining Journalism
Die letzten drei Vorträge konnte ich aufgrund anderer Verpflichtungen leider nicht wahrnehmen. Dabei hätte ich Ashleigh Gardner (Head of Content bei Wattpad), Jon Handschin (Gründer von moviepilot) und Bobbie Johnson (Gründer und CEO von Matter) sehr gern noch gehört. Aber Bobbie habe ich bereits während der Workshop-Diskussionen kennengelernt und finde sein Projekt sehr spannend. Matter, eine Plattform für Leser und Interessierte von Investigativen Journalismus, ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie Journalismus heutzutage im Internet noch funktionieren kann und von den Lesern auch durch bezahlen wirklich honoriert wird. Ein Blick auf die Plattform lohnt in jedem Fall.
Alles in allem möchte ich ePubli und auch der Agentur Petra Eggers sehr für die Einladung zu diesem spannenden Tag voller interessanter Eindrücke und netter neuer Kontakte danken. Ich freue mich, beim neuen Schreiben für das Web dabei gewesen zu sein.